Schönes Neues Arbeiten: Wie anfangen?

SCHÖNES NEUES ARBEITEN - WIE ANFANGEN?

 

Neues Arbeiten oder New Work ist mittlerweile in aller Munde. Wenn man auf Google den Begriff „New Work“ eingibt, liefert die Suchmaschine ungefähr 9.480.000.000 Ergebnisse. Allein diese Fülle an Treffern zeigt: Viel wurde geschrieben und diskutiert, über Freiheit, Selbstbestimmtheit und Digitalisierung, um nur ein paar der Schlagwörter zu nennen. Aber wie genau soll ein Unternehmen anfangen, wenn es Neues Arbeiten etablieren will?

Bevor ich mich dieser Frage widme, ein Versuch einer Begriffsklärung „Neues Arbeiten“, wobei ich hier auf die für mich zwei wesentlichsten eingehen will, die Definition des Urvaters Bergmann und jene des Zukunftsinstitutes.

 

BERGMANN: NEW WORK ERMÖGLICHT FREIHEIT UND SELBSTBESTIMMTHEIT.

 

Frithjof Bergmann, New Work: Ask not what you can do for work, but what work can do for you

 

Doch was bedeutet Neues Arbeiten oder New Work? Man kann New Work philosophisch nach Bergmann betrachten. Bergmann gilt als Begründer der Idee von „New Work“ und hat diesen im sozialphilosophischen Kontext erschaffen. Er beschäftigt sich mit der Frage nach der Freiheit des Menschen und nichts macht aus seiner Sicht einen Menschen unfreier als Arbeit. Darum ist für Bergmann als Urvater von New Work auch die Frage essentiell, was Menschen „wirklich, wirklich wollen“. Für ihn ist das Ziel von einer neuen Art des Arbeitens, den Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

 

„New Work ist eine andere Art, Arbeit zu organisieren. Die Absicht ist, Arbeit so zu organisieren, dass sie nichts Gezwungenes ist, sondern man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will.“ Frithjof Bergmann

 

ZUKUNFTSINSTITUT: NEW WORK ALS MEGATREND.

 

 

Man kann Neues Arbeiten als Megatrend sehen und diesen mit Schlagworten Digitalisierung, Individualisierung und Flexibilisierung verknüpfen, wie es das Zukunftsinstitut macht.

 

„Der Strukturwandel der Arbeitswelt beschleunigt sich weltweit immer mehr und läutet eine Ära neuer Arbeitsorganisation ein. Neue Technologien, Globalisierung und demographischer Wandel verändern die Arbeitswelt drastisch.“ Zukunftsinstitut

 

Aus Sicht des Zukunftsinstituts wird die Arbeitswelt von morgen offener und weniger berechenbar werden, sich immer wieder neu erfinden und von der digitalen Vernetzung stark geprägt werden. Arbeit und Freizeit scheinen immer mehr zu verschmelzen.

„Die Digitalisierung wirft den Menschen auf sein Menschsein zurück – vor allem im Arbeitsleben. Wenn Maschinen bald bestimmte Arbeiten besser verrichten können als der Mensch, beginnen wir, über den Sinn der Arbeit nachzudenken. „Wenn die Arbeit uns nicht mehr braucht, wofür brauchen wir dann die Arbeit? New Work beschreibt einen epochalen Umbruch, der mit der Sinnfrage beginnt und die Arbeitswelt von Grund auf umformt. Das Zeitalter der Kreativökonomie ist angebrochen – und es gilt Abschied zu nehmen von der rationalen Leistungsgesellschaft. New Work stellt die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Denn Arbeit steht im Dienst des Menschen: Wir arbeiten nicht mehr, um zu leben, und wir leben nicht mehr, um zu arbeiten. In Zukunft geht es um die gelungene Symbiose von Leben und Arbeiten.“ So meint das Zukunftsinstitut zurecht, dass die Digitalisierung wie die Dampflok der Industrialisierung ist.

Mehr zu New Work als Megatrend gibt es auf der Webseite des Zukunftsinstituts.

 

NEUES ARBEITEN ALS INNERE HALTUNG.

 

 

Diese beiden Sichtweisen auf Neues Arbeiten sind für mich aus einer philosophisch-soziologischen Metaperspektive absolut schlüssig, ich stehe dahinter und beim Lesen oder Reflektieren der Worte fehlt es nicht an einem zustimmenden Nicken. Aber aus Sicht der Unternehmensberaterin fehlt mir persönlich dabei etwas das Angreifbare im Sinne von „Was nun? Wie tun wir konkret mit New Work weiter?“.

Für mich zeigt sich New Work oder Neues Arbeiten in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter*innen, die stark beeinflusst wird von der Haltung des Unternehmens zu Personen, Prozessen und Leadership. Ihren Ausdruck findet diese Haltung in der Unternehmenskultur, etwa wie mit Home-Office Vereinbarungen oder Hierarchien umgegangen wird

 

„Neues Arbeiten zeigt sich vor allem in der Zusammenarbeit, die geprägt ist durch die Haltung einer Organisation zu Personen, Prozessen und Leadership.“

 

Aus meiner Sicht ist unbestreitbar, dass sich mit New Work die Sichtweise auf Arbeit und ihre Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft verändert. Und diese Bedeutung spiegelt sich eben in den gemeinsamen Werten, der Art des Zusammenarbeitens und der Kultur in Unternehmen wider. Diese Faktoren wiederrum haben Einfluss auf das gesamte Unternehmen, da sie zum Beispiel die Arbeitsabläufe effizienter gestalten oder die Attraktivität des Unternehmens für neue und bestehende Mitarbeiter*innen steigern können. Das wiederrum kann zu Wettbewerbsvorteilen auf den unterschiedlichsten Märkten führen, wie dem Arbeitsmarkt, Lieferantenmarkt, Herstellermarkt oder Kundenmarkt.

Soviel zu den Sichtweisen und Ideen, den Begriff „Neues Arbeiten“ zu schärfen. Aber was ich noch schuldig bin ist die Antwort auf die Frage: Wie können Unternehmen anfangen Neues Arbeiten zu leben? Das hole ich jetzt nach.

 

DIE KULTUR DES NEUEN ARBEITEN LÄSST SICH NICHT VERORDNEN.

 

Viele Organisationen möchten ein Umfeld schaffen, in welchem sich Mitarbeiter*innen wohlfühlen, gut und effizient arbeiten und zumal kreativ und innovativ sein können. Oft wird dazu von Führungskräften enthusiastisch ein hehrer Plan entwickelt und die Umsetzung wird voller Tatendrang gestartet. Doch die Ziele, die gesetzt wurden, werden nicht schnell genug oder gar nicht erreicht und es zeigt sich große Verwunderung, warum der Plan nicht aufgeht. Kommt dieses Szenario bekannt vor?

Für Neues Arbeiten braucht es keinen Big-Bang-Plan und es wird auch nicht sein, dass wir alle plötzlich aufgrund von punktuellen Maßnahmen auf Zukunft getrimmt sind. Es braucht Zeit, Training, Verständnis, ein anderes Mindset sowie eine entsprechende Kultur, um New Work im Unternehmen groß zu machen. Aber Kultur ist halt leider nicht direkt beeinflussbar. Es hat noch nie geklappt zu sagen: So, ihr seid jetzt bitte alle für einen Tag in der Woche innovativ, Danke! Dafür muss der Raum geschaffen werden und Mitarbeiter*innen müssen das auch leisten wollen, damit sich eine entsprechende Kultur entwickeln kann.

 

EIN KURZER EXKURS ZUM BEGRIFF „ENTSCHEIDUNGSPRÄMISSEN“.

 

 

Eine wichtige Leistung von Organisationen ist, die unzähligen Akteur*innen zu koordinieren, damit die Produkte oder Services entsprechend erbraucht werden können. Wären Äpfel das Geschäftsfeld des Unternehmens und 50% der Beschäftigten bauen Gala-Äpfel an, 50% jedoch Erdäpfel, dann läuft etwas schief. Um diese Koordinationsleistung zu erbringen, nutzen Organisationen Entscheidungsprämissen – ein Begriff von Herbert A. Simon und Niklas Luhmann.

Entscheidungsprämissen legen den Spielraum für Entscheidungen fest und begrenzen beziehungsweise ermöglichen auf diese Art Komplexität. Der Begriff bricht mit der Vorstellung einer rationalen, funktionalen und zweckgerichteten Organisation, die durch korrekte Anwendung innerer Regeln, reibungslos funktioniert. Vielmehr koordinieren Organisationen die Akteur*innen durch unterschiedliche und situative Einschränkungen ihrer Entscheidungsspielräume. So werden die Entscheidungskosten und -risken für die Einzelnen gesenkt, weil das, was auf dem Spiel steht, begrenzt wird. Entscheidungsprämissen gibt es solange sie benutzt werden, sobald sie nicht mehr beachtet oder sabotiert werden, verlieren sie an Gültigkeit.

Nach Luhmann gibt es im Wesentlichen drei gleichwertige Formen von Prämissen: Programme, Kommunikationswege und Personen sowie eine übergeordnete Dimension, nämlich die Organisationskultur.

 

DAS VIERECKIGE DREIECK ALS RAHMEN FÜR NEUES ARBEITEN.

 

Boos und Mitterer haben Luhmanns Entscheidungsprämissen in einem viereckigen Dreieck zusammengefasst, das einen Rahmen für Veränderung und Verankerung gibt. Diese Entscheidungsprämissen sind dabei:

  • Programme: Strategien, Vision und Ziele
  • Prozesse und Strukturen: Arbeitsabläufe, Aufbau- und Ablauforganisation im Fokus
  • Personen: Werte, Einstellungen und Sichtweisen

 

 

Boos und Mitterer betonen, dass mit Hilfe des „viereckigen Dreiecks“ ein klarer Handlungsfokus definiert werden kann. Für sie unterstützt es Manager*innen die Wechselwirkungen zwischen den Prämissen zu erkennen, komplexe Situationen zu erfassen und handlungsfähig zu bleiben.

Ich bin der Meinung, dass dieses Dreieck einen guten Rahmen für Schritte in Richtung Neues Arbeiten gibt. Mit seiner Hilfe New Work können Stellschrauben für Empfehlungen und Maßnahmen definiert werden, um eine „Kultur des Neuen Arbeitens“ zu forcieren.

 

PROZESSE UND STRUKTUREN ALS STARTPUNKT FÜR NEUES ARBEITEN.

 

Um Neues Arbeiten im Unternehmen zu verankern, sehe ich als Startpunkt Prozesse und Strukturen. Warum? Weil dort die größte Zusammenarbeit im Unternehmen stattfindet und dort der kleinste gemeinsame Nenner aller Mitarbeiter*innen ist. Es gibt niemanden, der nicht früher oder später mit Prozessen oder Arbeitsabläufen in Berührung kommt. Und genau da sollten Unternehmen die Neue Art des Arbeitens erlebbar machen – im besten Fall und dort wo sinnvoll digital unterstützt. Denn wenn Organisationen an diesem Punkt ansetzen, dann hat das auch Strahlwirkung auf die anderen beiden Pfeiler der Kultur. Personen im Unternehmen verhalten sich anders und damit können auch Strategien und Vision erlebbar gemacht werden.

Jetzt können natürlich Stimmen laut werden, die meinen, dass Prozesse und Strukturen so ganz gegen die Grundidee von Freiheit und Selbstbestimmtheit sprechen. Dass auch Entscheidungsprämissen die Menschen in Unternehmen nur einschränken und dem Neuen Arbeiten entgegenstehen. Warum dem aus meiner Sicht nicht so ist …

 

„Prozesse und Strukturen bieten Mitarbeiter*innen die Sicherheit von Freiheit."

 

Neues Arbeiten zeigt sich dann, wenn Unternehmen Mitarbeiter*innen die Sicherheit von Freiheit bieten. Und dies ist mit entsprechenden Strukturen, die gute Arbeitserlebnisse fördern, möglich. Sicherheit und Klarheit bezieht sich in diesem Kontext auf die Spielregeln der Zusammenarbeit, auf die Abläufe und Prozesse. Da Mitarbeiter*innen nunmehr den Rahmen kennen, in dem sie sich bewegen, kann ihnen die Freiheit zugestanden werden, innerhalb dieser Leitplanken selbstbestimmt zu agieren. Und so in das schöne Neue Arbeiten zu starten.

 

MEIN FAZIT ZU NEUEM ARBEITEN.

 

Für mich ist Neues Arbeiten stark verknüpft mit der inneren Haltung eines Unternehmens zu den Mitarbeiter*innen, zu Leadership und zu Prozessen. Damit Organisationen erfolgreich in diese neue Arbeitswelt eintauchen können, rate ich bei Arbeitsprozessen und -abläufen zu starten. Hier findet die größte Zusammenarbeit statt. Hier ist auch der kleinste gemeinsame Nenner der Personen des Unternehmens zu finden. Und hier erfahren die Mitarbeiter*innen das Neue Arbeiten.

 

Bildquellen: Canva - Sketchify, Pexel, eigene Darstellung

Elisabeth Gogg
Elisabeth Gogg ist Teamlead New Work Design bei ACP X-tech mit Spezialisierung auf Prozess-, Experience- und Organisationsdesign. Neues Arbeiten zeigt sich für sie dann, wenn Unternehmen Mitarbeiter*innen die Sicherheit von Freiheit bieten. Mit entsprechenden Strukturen, die gute Arbeitserlebnisse ermöglichen.
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